Unterforderung – Motivations- und Effizienzkiller No. 1

Wir wissen inzwischen viel über Burn-Out und die viel diskutierte Überforderung und Überlastung am Arbeitsplatz. Nicht minder bedeutend, aber weit weniger diskutiert, ist die Unterforderung am Arbeitsplatz. Auch bekannt als Bore-out. Ein unterschätztes Phänomen, welches jedoch gravierende Auswirkungen auf die Rentabilität eines Unternehmens und insbesondere auf die Gesundheit des betroffenen Mitarbeiters hat.

Vielleicht haben Sie es selbst auch schon einmal am eigenen Leib erfahren. Sie sind auf sachbearbeitender Ebene tätig. Ihr Vorgesetzter schiebt Ihnen stumpfe „abarbeiten“-Aufgaben zu. Diese sind sicher nicht unwichtig, aber sie müssen dafür den Kopf nicht einschalten. So verbringen Sie jahrelang – 8 Stunden an jedem Werktag Ihrer Lebenszeit – an Ihrem Schreibtisch und führen Arbeiten aus, die Sie in keinster Weise fordern.

 

Zu Beginn fällt es Ihnen wahrscheinlich selbst nicht auf. Bis zu dem Tag, an dem Sie bemerken, dass Sie keine eigene Meinung mehr haben. Bis zu dem Tag, an dem ein neuer Kollege den Grund Ihrer Aufgaben hinterfragt. Sie schalten Ihren Kopf wieder ein und es fallen Ihnen bessere Wege ein oder Ihnen wird bewusst, dass Sie mehr wollen. Sie sprechen Ihren Vorgesetzten an und bitten um neue Aufgabengebiete. Vielleicht können Sie ihm etwas abnehmen.

Die Reaktion?

In den meisten Fällen gibt es zunächst keine Reaktion. Dann wird Ihnen versprochen etwas zu finden. Am Ende bekommen Sie aber nur mehr „Abschreib“-Arbeiten, die keinerlei Hirnaktivitäten bedürfen. Da der Großteil der Menschen zunächst auf sich selbst schaut, werden Sie sich fragen, woran das liegt. Liegt es an Ihnen? Traut man Ihnen nicht mehr zu? Sind Sie nicht qualifiziert genug? Doch Sie sind es. Und wenn Ihnen eine bestimmte Qualifikation fehlt, so gibt es Schulungen dafür.

 

Sicher sollte man immer erst bei sich beginnen. Vergessen Sie aber nicht eine wichtige Komponente. Ihr Gegenüber. Er wird seine eigenen Gründe dafür haben, warum er Ihnen nicht mehr Verantwortung überträgt. Denn auch er schaut als Erstes auf sich. Aber anders. Er erkennt eine Konkurrenz in Ihnen. Eine, die er fürchtet. So ist es bedauerlicherweise weit verbreitet, dass Vorgesetzte ihr Wissen für sich behalten und keinerlei Verantwortung abgeben, weil sie unentbehrlich sein wollen. Sie meinen zumindest unentbehrlich zu sein.

Die Konsequenzen

Doch welche Konsequenzen eine solche Strategie hat, sieht kaum jemand. Denn wie geht es einem Mitarbeiter, der in seinem Alltag unterfordert ist? Er ist unzufrieden, gelangweilt und demotiviert. Die Aufgaben, die er tagtäglich zu bewältigen hat, macht er inzwischen mit links. Innerhalb einer Stunde. Wie füllt sich denn nun der Rest des Arbeitstages? Um sich eben diese Gedanken nicht machen zu müssen, spart er sich seine Aufgaben auf und verschiebt sie auf später. Die klassische Prokrastination tritt ein. Das Ziel: nur irgendwie die 8 Stunden absitzen. Dazwischen wird dann noch ein wenig mit den Kollegen gequatscht und im Internet gesurft. Aber irgendwann hat es sich ausgesurft. Das Bore-out Syndrom wird Teil des Alltags und Teil des Lebens.

 

Die wenigsten sprechen darüber. Jeder Versuch endet mit einem müden belächeln der anderen. Es wird als Luxusproblem wahrgenommen. Tatsächlich ist es alles andere als ein Luxusproblem. Denn sie macht krank – diese lähmende Langeweile. Die ständige Unzufriedenheit und Unterforderung. Sie gefährdet die Gesundheit. Viele der Betroffenen, zu denen ich mich vor gar nicht allzu langer Zeit selbst noch zählte, leiden unter depressiven Verstimmungen, Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit und Antriebslosigkeit.

Was tun?

Zustände, die keineswegs unbeachtet bleiben sollten. Als Unternehmer und Vorgesetzte, sollten Sie einen neutralen und realistischen Blick auf die Abläufe in Ihrem Hause und auf Ihre Mitarbeiter werfen. Was könnte dieser Mitarbeiter nicht alles für Sie leisten, wenn er sein volles Potential nutzen und entfalten dürfte?

 

Als Mitarbeiter sollten Sie reflektieren und Ihre Konsequenzen daraus ziehen, wenn Sie erkennen, dass Sie sich in einer solch unglücklichen Lage befinden. Geben Sie sich nicht damit ab und fürchten Sie sich nicht vor neuen Herausforderungen. Ich selbst habe lange gezögert. Wollte meine vermeintliche Sicherheit nicht aufgeben. Wie befreiend der Beschluss und die daraus folgenden Taten waren – ein kaum in Worte zu fassendes Glück. Ein Glück, das ich mir selbst beschert habe.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde im Text die männliche Form gewählt, nichtsdestoweniger beziehen sich die Angaben auf Angehörige aller Geschlechter.